Mit Licht gesteuerte Netzwerke in Zellen: Wie Forschende künstliche Fasern in lebenden Zellen aufbauen
Ein neuer Ansatz zur Steuerung zellulärer Strukturen und Prozesse könnte die Medizin der Zukunft verändern.

Forschende an unserem Institut haben eine neue Methode entwickelt, mit der sich synthetische Nanofasern innerhalb lebender Zellen erzeugen lassen – einfach durch das Einschalten von Licht. Dieser innovative Ansatz zur Steuerung zellulärer Strukturen und Prozesse könnte eines Tages die Medizin der Zukunft revolutionieren.
Zellen sind die kleinsten Einheiten des Lebens – und doch wahre Hochleistungszentralen. Damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, brauchen sie innere Ordnung: Ein feines Gerüst aus winzigen Fasern sorgt nicht nur für Stabilität, sondern übernimmt auch wichtige Aufgaben im Zellinneren. Es dient als Transportnetzwerk, Kommunikationskanal und als Schaltzentrale für biologische Signale.
Ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz hat nun eine faszinierende Methode entwickelt: Es gelingt ihnen, künstliche Fasern direkt in lebenden Zellen mithilfe von Licht zu erzeugen. Die Hoffnung: Die Funktion von Zellen gezielt zu beeinflussen um zukünftig sogar Krankheiten besser bekämpfen zu können.
„Unser Körper funktioniert nur, weil Zellen ständig miteinander kommunizieren“, erklärt Prof. Tanja Weil, Direktorin am Institut. Diese Kommunikation läuft über komplexe biochemische Prozesse – bei der Wundheilung, in unserem Immunsystem oder bei der Energieversorgung der Zelle. Wenn man diese Prozesse gezielt unterstützen oder steuern könnte, eröffnet das völlig neue Möglichkeiten für die Medizin.
Genau hier setzt die neue Methode an. Die Idee: Miniatur-Bausteine, die sich wie Lego-Teile unter dem Einfluss von grünem LED-Licht zu langen Fasern zusammenfügen. Die Forschenden bringen diese lichtempfindlichen Moleküle zunächst in Zellen ein. Dann schalten sie von außen gezielt das Licht ein – und beobachten, wie sich im Inneren der Zelle ein künstliches Fasergeflecht bildet.
„Wir können genau bestimmen, wann, wo und wie viele Fasern entstehen – allein durch das Licht“, sagt Yong Ren, Erstautor der Studie. Je nach Lichtdauer und -intensität entstehen kleinere oder größere Netzwerke. In ersten Experimenten zeigte sich sogar: In bestimmten Zellen, wie etwa Krebszellen, kann eine starke Überproduktion dieser Fasern dazu führen, dass die Zelle stirbt. Ein vielversprechender Hinweis auf mögliche therapeutische Anwendungen.
Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Synthesis veröffentlicht. Noch handelt es sich um Grundlagenforschung – doch die Vision ist groß: In Zukunft könnten solche lichtgesteuerten Zellnetzwerke helfen, zelluläre Kommunikation gezielt zu verändern, um etwa Entzündungen zu regulieren, geschädigtes Gewebe zu reparieren oder Krebszellen zu bekämpfen.
Was wie Science-Fiction klingt, ist ein erster Schritt in Richtung einer neuen Generation intelligenter Materialien, die mit dem Körper kommunizieren – und ihn vielleicht sogar heilen können.