Stalaktiten und Stalakmiten in der Batterie?
Neue Untersuchungen könnten zu langlebigeren Batterien führen
Sie gelten als „Heiliger Gral“ der Batterieforschung: So genannte „Festkörperbatterien“. Sie besitzen keinen flüssigen Kern mehr, wie dies bei heutigen Batterien der Fall ist, sondern bestehen aus einem festen Material. Dies führt zu einigen Vorteilen: Unter anderem sind diese Batterien schwerer entflammbar und können zusätzlich auch noch im Miniaturmaßstab hergestellt werden. Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung haben sich nun der Lebensdauer solcher Batterien angenommen und Prozesse ins Visier genommen, die diese reduzieren. Mit ihren Erkenntnissen könnten in Zukunft haltbarere Festkörperbatterien realisiert werden.
Ob im E-Auto, im Handy oder im Akkuschrauber: Viele täglich genutzte Geräte nutzen inzwischen wieder aufladbare Batterien. Allerdings hat der Trend auch seine Schattenseiten: So wurden bestimmte Handys vom Mitführen in Flugzeugen ausgeschlossen oder E-Autos fingen an zu brennen. Moderne kommerzielle Lithium-Ionen-Akkus sind empfindlich, was mechanische Beanspruchung betrifft.
Abhilfe könnten sogenannte „Festkörper-Akkus“ darstellen. Diese enthalten keinen flüssigen Kern mehr – den sogenannten Elektrolyten – sondern bestehen durch und durch aus festem Material, z. B. keramische Ionenleiter. Die Folge: Sie sind mechanisch belastbar, nicht entflammbar, einfach miniaturisierbar und unempfindlich gegenüber Temperaturschwankungen.
Doch Festkörper-Akkus zeigen ihre Probleme nach mehreren Lade- und Entladezyklen: Sind am Anfang der Plus- und Minus-Pol der Batterie noch elektrisch voneinander getrennt, werden diese durch batterieinterne Prozesse irgendwann elektrisch miteinander verbunden: Im Akku wachsen langsam „Lithium-Dendriten“. Diese Lithium-Dendriten wachsen Schritt für Schritt bei jedem Ladevorgang bis die beiden Pole verbunden sind. Das Resultat: Der Akku ist kurz geschlossen und „stirbt“. Bisher sind die genauen physikalischen Vorgänge, die dabei vonstatten gehen, jedoch noch nicht genau verstanden.
Ein Team geleitet von Rüdiger Berger aus dem Arbeitskreis von Hans-Jürgen Butt hat sich dem Problem nun angenommen und mit einer speziellen Mikroskopiemethode die Vorgänge näher untersucht. Sie gingen der Frage nach, wo die Lithium-Dendriten anfangen zu wachsen. Ist es wie in einer Tropfsteinhöhle von der Stalktiten von der Decke und Stalakmiten vom Boden wachsen, bis sie sich in der Mitte verbinden und einen sogenannten „Stalagnat“ bilden? Oben und unten gibt es zwar nicht bei einer Batterie - aber wachsen Dendriten vom Minus- zum Pluspol oder vom Plus- zum Minuspol? Oder wachsen sie von beiden Polen gleichmäßig? Oder gibt es besondere Stellen in der Batterie, die zu einer Keimbildung und von dort aus dann zu einem dendritischen Wachstum führen?
Rüdiger Bergers Team hat sich hierbei insbesondere sogenannte „Korngrenzen“ in keramischen Festkörperelektolyten angesehen. Diese Grenzen entstehen bei der Herstellung der festen Schicht: Die Atome in den Kristallen der Keramik sind grundsätzlich sehr regelmäßig angeordnet. Durch kleine, zufällige Fluktuationen beim Kristallwachtum enstehen jedoch linienartige Gebilde, an denen die Atome unregelmäßig angeordnet sind – eine sogenannte „Korngrenze“.
Diese Korngrenzen sind mit ihrer Mikroskopiemethode – der „Kelvin Probe Kraftmikroskopie“, bei der die Oberfläche mit einer scharfen Spitze abgerastert wird – sichtbar. Chao Zhu, ein Doktorand, der mit Rüdiger Berger zusammenarbeitet, betont: "Wenn die Festkörperbatterie aufgeladen wird, sieht man mit der Kelvin-Probe-Kraftmikroskopie, dass sich Elektronen entlang der Korngrenzen ansammeln - besonders in der Nähe des Minuspols." Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich durch die Korngrenze nicht nur die Anordnung der Atome der Keramik, sondern auch deren elektronische Struktur verändert.
Aufgrund der Ansammlung von Elektronen – also negativen Teilchen – können positiv geladene Lithium-Ionen, die im Festelektrolyten unterwegs sind, zu metallischem Lithium reduziert werden.. Die Folge: Lithium setzt sich fest, es bildet sich ein Lithium-Dendrit. Wird der Ladevorgang erneut ausgeführt, kann sich der Dendrit immer weiter ausbilden, bis schließlich die Pole der Batterie verbunden werden. Die Bildung eines solchen Dendrits wurde daher – da eine erhöhte Elektronendichte hauptsächlich am Minus-Pol beobachtet wurde – auch nur an diesem beobachtet. Am gegenüberliegenden Plus-Pol wurde kein Wachstum festgestellt.
Die Wissenschaftler*innen hoffen, mit einem genauen Verständnis der Wachstumsvorgänge auch effektive Wege entwickeln zu können, die das Wachstum am Minus-Pol verhindern oder zumindest eindämmen, um so in Zukunft die sichereren Lithium-Festkörperbatterien auch breitbandig zur Anwendung bringen zu können.