Dynamik weicher Materie
Forschungsbericht (importiert) 2004 - Max-Planck-Institut für Polymerforschung
Phononen in mesoskopischen Strukturen
Schwingungsähnliche oder miteinander gekoppelte Auslenkungen der Molekülsegmente der Frequenz ω manifestieren sich in der Dispersionsrelation ω(k), wobei k der Wellenvektor der Phononen ist. Im Bereich der Hyperschallfrequenzen (GHz) kann ω(k) mithilfe der Brillouin-Laser-Spektroskopie gemessen werden. Dabei wird die Dopplerfrequenzverschiebung ω des an Phononen gestreuten Lichts aufgelöst. In homogenen Systemen entspricht der Streuwellenvektor eines Photons q dem eines Phonons k. Die Schallgeschwindigkeit (ω/k) definiert den elastischen Modul des Materials. Für inhomogene Medien über Längen der Größenordnung von q-1 (100–3000 nm) zeigt das Brillouin-Spektrum I(q, ω) in Abbildung 1 zahlreiche spektrale Merkmale zusätzlich zu dem Doppelpeak bei ± ω/k, der dem effektiven Medium zugeordnet ist. Um die Dispersionsrelation zu erhalten und hieraus zuverlässige Eigenschaften der mesoskopischen Strukturen und deren Abhängigkeit von Geometrie, Morphologie und mikromechanischen Eigenschaften abzuleiten, wurden in den letzten Jahren verschiedene Klassen von geordneten weichen Materialien systematisch untersucht.
Um die Dispersionsrelation in Abhängigkeit von q experimentell aufzuzeichnen, wurde ein geeignetes hochauflösendes und empfindliches Spektrometer für verschiedene Proben (z.B. dünne Filme) aufgebaut und Computerprogramme zur Lösung der elastischen Wellenfunktion in verschiedenen Systemen implementiert. Die Ausbreitung von elastischen Wellen in inhomogenen Systemen ist an drei Beispielen von dreidimensionalen, periodischen Strukturen veranschaulicht: konzentrierte Suspensionen von kolloidalen Kugeln (PMMA), synthetische Opale (PS) und photonische Strukturen aus Polymeren.
In einer polykristallinen PMMA-Suspension (Durchmesser d=370 nm) zeigt das Brillouin-Spektrum zahlreiche Maxima, die der Ausbreitung verschiedener Phononen zugeordnet werden können. Diese sind als Quadrate im Dispersionsgraph (Abb. 1 rechts) dargestellt. Eine Ausbreitungslücke von 2-3 GHz tritt am Schnittpunkt der niedrigsten Partikel-Vibrationsmode (linke Seite von Abb. 1 rechts) und des akustischen Phonons des gemittelten Mediums (durchgezogene Linie) auf, während mehrere andere Moden nur durch den Vergleich mit theoretischen Berechnungen (offene Symbole) ermittelt werden können. Eine zweite, verschmierte Lücke, die durch die Polykristallinität verursacht wird, erscheint entlang einer bestimmten Achse (der 100-Achse, senkrechter Pfeil in Abb. 1 rechts) [1, 2].
An den am Max-Planck-Institut für Polymerforschung hergestellten weichen Opalen aus Polystyrolkugeln, die durch Beschichtung eines Trägers erhalten wurden, wurden zahlreiche Eigenmoden beobachtet. Diese Eigenmoden sind theoretisch durch ihre Oberschwingungen genau bestimmt (Abb. 2). Die Eigenfrequenzen skalieren mit l/d und damit führt die Polydispersität der Partikelgröße zur spektralen Verbreiterung der niedrigen Frequenzmoden. Die sehr gute Beschreibung des Spektrums der Eigenmoden in diesem Modell-Opal ermöglicht die zuverlässige Anwendung der Brillouin-Lichtstreuung zur Messung der elastischen Moduli von kolloidalen Partikeln, wie zum Beispiel bei amorphem Calciumcarbonat [3].
Eine andere Methode, um einkristalline defektfreie phononische Strukturen herzustellen, beruht auf der Interferenzlithographie (Abb. 3). Die Phononenausbreitung durch eine solche Struktur hängt von deren Hyperschallfrequenzen ab und kann die thermischen Eigenschaften und damit den Wärmetransport beeinflussen. Die beobachteten Moden mit in verschiedenen Brillouin-Zonen anfallenden Wellenvektoren zeigen in Γ-M Richtung des hexagonalen Gitters und sind in Abbildung 3 entlang der theoretischen Bandstruktur eingezeichnet. Dieser Vergleich zeigt die Natur der propagierenden Moden. Die durch Dreiecke gekennzeichneten Kurven, deren theoretische Deutung hier nicht zu diskutieren ist, können dem Substrat zugeordnet werden und charakterisieren die Symmetrie der Struktur. Diese phononischen Strukturen mit Bandlücken bei Hyperschallfrequenzen sind außerdem photonische Kristalle im sichtbaren Bereich des Spektrums. Diese Kombination könnte Studien von neuen akusto-optischen Wechselwirkungen ermöglichen.
Untersuchung von Polymerwechselwirkungen nahe Oberflächen
Die Beschichtung von Oberflächen mit Polymeren ist ein aktives Forschungsgebiet und von Interesse für die Grundlagenforschung, aber auch von technologischer Bedeutung. Dünne Polymerfilme sind mit einer Endgruppe kovalent an eine Oberfläche gebunden. Polymerbürsten zeigen den populärsten Fall. Statische Eigenschaften wie das Gleichgewichts-Dichte-Profil sind für adsorbierte und verankerte Polymere intensiv untersucht worden. Im Gegensatz dazu erhielt ihre dynamische Struktur, die für diverse physikalische Phänomene wie Adhäsion und Lubrikation verantwortlich ist, aufgrund des Mangels an experimentellen Methoden wenig Aufmerksamkeit. Ein Set-Up für die dynamische Lichtstreuung mit evaneszenten Wellen wurde entwickelt und zur Untersuchung der kollektiven Dynamik von Polymerbürsten in Lösungsmitteln unterschiedlicher Qualität angewendet (Abb. 4). Eine generelle Eigenschaft ist die schnelle Atmungsbewegung, die zur Kompressibilität der Bürste in guten Lösungsmitteln führt, wobei im Kontakt mit schlechten Lösemitteln langsame Dynamik auftritt und zu lateraler Kontraktion der Bürste führt.
Im Rahmen dieses Projektes haben wir die Anwendbarkeit der Fluoreszenzkorrelationsspektroskopie (FCS) zur Ermittlung der segmentalen Dynamik von amorphen Polymerfilmen bei Temperaturen oberhalb der Glastemperatur untersucht. Grundlage der FCS sind fluoreszierende Moleküle, die beim Diffundieren in und aus dem Laserfokus heraus die Fluoreszenzintensität beeinflussen. Die gemessene Intensität kann daher direkt mit der Anzahl der fluoreszierenden Moleküle in einem kleinen Volumen korreliert werden. Der Diffusionskoeffizient Ds des Fluoreszenzmarkers korreliert mit der segmentalen Relaxationszeit des Polymerfilms, wenn man annimmt, dass ein signifikanter Betrag der kooperativen Länge für den Glasübergang verantwortlich ist [7].
Laser-induziertes Muster in Polymerlösungen
Polymere verdanken ihre Einordnung als weiche Materialien der Leichtigkeit ihrer Beeinflussbarkeit, eine Konsequenz des relativ großen Einflusses der Entropie. Es ist bekannt, dass der Feldgradient der optischen Strahlung Kräfte aufbringt, die stark genug sind, um mikroskopische Objekte zu adressieren und diese gegenüber Brown'scher Molekularbewegung zu immobilisieren. Diese etablierten Konzepte der so genannten optischen Pinzette machen Mikromanipulation möglich, die sich jedoch auf kolloidale Partikel beschränkt. Kürzlich haben wir eine unerwartete, lichtinduzierte Materialordnung in homogenen transparenten Polymerlösungen beobachtet. Dieser Effekt führt zur Bildung von reversiblen fadenförmigen und punktförmigen Mikrostrukturen (Abb. 5 links), und scheint völlig unabhängig von bekannten photochemischen und photophysikalischen Prozessen zu sein. Außerdem haben wir die reversible optische Aufzeichnung von holographischen Gittern in nicht-absorbierenden Lösungen von gängigen Homo-Polymeren gezeigt (Abb. 5 rechts). Diese Phasengitter zeigen für die erste Ordnung Beugungseffizienzen von über 50 Prozent. Diese werden der räumlichen Modulation der Konzentration in der Polymerlösung zugeordnet. Sie werden durch Strahlungskräfte in Anwesenheit gigantischer Elektrostriktion verursacht, wenn auch nicht allein.