Organische Halbleiter für die Elektronik
Forschungsbericht (importiert) 2008 - Max-Planck-Institut für Polymerforschung
Organische Elektronik
Auf der Suche nach neuen Anwendungen für organische Materialien erzielte die Forschung in den 1970er-Jahren wichtige Durchbrüche, denn man fand Ladungstransfersalze mit supraleitenden Eigenschaften und überführte konjugierte Polymere durch Elektronenübertragung (Dotieren) in elektrisch stromleitende Verbindungen, die später sogar Leitfähigkeiten so hoch wie die von Kupfer erreichten. Seit der ersten Erwähnung von lichtemittierenden Dioden (OLED, PLED) auf der Basis organischer Halbleiter hat sich das Forschungsgebiet extrem verbreitet und zu vielfältigen Anwendungen in elektronischen Bauteilen geführt. Aufgrund ihrer niedrigen Fabrikationstemperatur und Verarbeitbarkeit aus Lösung, wird die organische Elektronik zu einer attraktiven Alternative zu konventionellen, auf Silizium basierenden Bauteilen. Diese Eigenschaften bereiten den Weg für flexible, ultradünne, kostengünstige und großflächige Plastikelektronik wie biegsame Bildschirme oder Radiofrequenz-Antennen in Funkchips (radio frequency identification, RFID), die für Informationsspeicher und -übertragung genutzt werden. Darüber hinaus können organische Materialien leicht und gezielt variiert werden, womit man Einfluss auf ihre elektronische Struktur, aber auch ihre Verarbeitbarkeit nimmt. Hierin liegt nun der Schwerpunkt des Beitrags der synthetischen Gruppe vom MPI für Polymerforschung, nämlich maßgeschneiderte organische Funktionsmaterialien aus kleinen Molekülen, planaren ausgedehnten Kohlenwasserstoffen, konjugierten Polymeren und Dendrimeren für die verschiedensten Anwendungen in organischen LEDs, FETs, Solarzellen und Sensoren zu synthetisieren (siehe Abb. 1). Die Substanzen müssen aber auch gut verarbeitbar sein, sodass sie kostengünstig und effizient aus Lösungen zu geordneten dünnen Schichten verfilmt werden können. Zusätzlich müssen die Grenzflächen zwischen den Schichten optimiert werden, um Widerstände zu minimieren.
Organische Leuchtdioden (OLEDs)
Das Arbeitsprinzip einer Leuchtdiode besteht im Anlegen einer Spannung an die partiell lichtdurchlässigen Elektroden, sodass positive und negative Ladungsträger von den entsprechenden Elektroden aus in die elektrolumineszente Schicht wandern und dort rekombinieren, woraufhin Licht emittiert wird (Abb. 1). Bei gleicher Lichtleistung im Vergleich zu herkömmlichen Glühbirnen verbrauchen OLEDs weniger als ein Zehntel der Energie.
Für alle Vollfarb- und Weißlichtanwendungen ist eine stabile blaue Emission die Schlüsselkomponente. Daher fokussieren sich die synthetischen Anstrengungen im Bereich der OLEDs auf blaue Emittermaterialien, die auch eine lange Lebensdauer haben. In diesem Sinn wurden neue konjugierte Polymere synthetisiert wie das Polypyrenylen (Abb. 1a) und Polytriphenylendendrimere (Abb. 1b) [1, 2]. In diesen Molekülstrukturen ist eine intermolekulare Aggregation, die oft zu unerwünschten rot verschobenen Energien im Festkörper führt, durch die geometrische Abschirmung der Moleküle verhindert. Daher treten nur geringfügige Verschiebungen der Fluoreszenzmaxima beim Vergleich der Lösungs- mit den Festkörperspektren auf und man findet sehr gute blaue Farbkoordinaten in der Elektrolumineszenz. Weitere Forschungsaktivitäten beschäftigen sich mit der Anpassung der Kontaktwiderstände zu den Elektroden, um eine Absenkung der Einsatzspannung und eine höhere Effizienz zu erzielen.
Organische Feldeffekttransistoren (OFETs)
Um z. B. einzelne Farbpunkte in einem Bildschirm anzuregen oder für einfache Schaltkreise in RFIDs, benötigt man Transistoren, die durch die Kontrolle des Stroms zwischen source und drain Elektroden als schnelle Schalter dienen. Für OFETs werden verschiedene Aufbauten der Elektroden und der Halbleiterschichten verwendet, ein Beispiel ist in Abbildung 1 gezeigt, dem sogenannten top Kontakt des Halbleiters zwischen den source und drain Elektroden. Die bisherigen Schwächen polymerer OFETs waren die zu geringen Ladungsträgerbeweglichkeiten und kleine an/aus-Verhältnisse des Stromflusses. Eine Herausforderung besteht somit darin, die Anzahl von Störstellen, die den Ladungstransport behindern, zu reduzieren.
Als neues Modell wurde ein konjugiertes Copolymer aus alternierenden Donoren und Akzeptoren (Abb. 1c) untersucht, mit dem Gedanken, dass die intermolekularen Donor- und Akzptorwechselwirkungen zu engen Molekülkontakten führen sollten und damit zu besserer Ordnung der Polymerketten. Durch weitere Optimierung der Synthese zu hochmolekularen Polymeren und durch Verbesserung der Filmbildungsprozesse, die zu höherer Ordnung führten, ist es dann gelungen hohe Ladungsträgerbeweglichkeiten zu erzielen, die den kommerziellen Einsatz vielversprechend erscheinen lässt [3].
Prinzipiell sollten organische Halbleiter sowohl gute Lochleiter (positive Ladungsüberträger) als auch gute Elektronenleiter (negative Ladungsüberträger) sein, oft findet man allerdings nur unipolares Verhalten, was zum Teil auf zu große Spannungsbarrieren zu den Elektroden zurückgeführt wird. Durch Verwendung großer Farbstoffmoleküle (Abb. 1d) mit relativ niedrig liegendem nicht besetzten Molekülorbital (LUMO) und hoch liegenden besetztem Molekülorbital (HOMO) konnten ambipolare OFETs mit hohen Elektronen- und Lochleiterbeweglichkeiten zugänglich gemacht werden [4]. Ein wesentlicher Aspekt für diesen Erfolg bestand auch in der Passivierung der Zwischenschicht zum Dielektrikum durch Aufbringen einer Monolage von Disilazan auf das Siliziumdioxid. Solche Einkomponenten-Bauteile erlauben es den Einfluss von supramolekularer Ordnung auf die FET-Ladungstransporteigenschaften zu verstehen, wobei die Halbleitermorphologie gezielt durch Prozessierungsmethoden beeinflusst werden kann und die elektronischen Eigenschaften der Transistoren durch Optimierung der Zwischenschichten verbessert werden.
Organische Photovoltaik (OPV)
Für die organische Photovoltaik werden besonders zwei verschieden Zelltypen diskutiert, einerseits die auf Donor-Akzeptor Mischungen konjugierter Moleküle und Polymere basierenden Zellen und andererseits die elektrochemischen Farbstoffzellen.
Das Arbeitsprinzip einer polymeren Solarzelle ist gerade komplementär zu dem einer LED, d.h. Licht wird in Energie umgewandelt durch Lichtanregung, Ladungstrennung und schließlich der Ladungsübertragung zu den entgegengesetzten Elektroden. Nahezu alle organischen Solarzellen basieren auf positiven und negativen (p-n) Heteroübergängen zwischen organischen Donoren (p-Leiter) und Akzeptoren (n-Leiter). Die Heteroübergänge erzielt man durch Mischung der beiden Komponenten in einer gemeinsamen Lösung. Am häufigsten werden konjugierte Polymere als Donoren und Fulleren-Derivate als Akzeptoren eingesetzt, mit denen sich Wirkungsgrade von 5% erzielen lassen.
Die Verwendung von selbst ordnenden Materialien wie diskotischen Flüssigkristallen ist ein vielversprechender Ansatz, um die Ladungsbeweglichkeit zwischen benachbarten Molekülen im Vergleich zu amorphen Materialien zu erhöhen, während die Moleküle noch aus Lösung verarbeitet werden können. Dieser Ansatz wurde in Kooperation mit der Gruppe von Richard Friend im Jahr 2001 unter Verwendung einer Mischung aus Hexabenzocoronen (HBC) als Donor und Perylen als Akzeptor etabliert. In der Fortführung dieses Konzepts wurden neue dreieckig geformte diskotische Moleküle mit unterschiedlich langen schwalbenförmigen Alkylketten synthetisiert (Abb. 2). Dieses Moleküldesign ergab eine extrem breite flüssigkristalline Phase für das Derivat mit den langen Ketten, mit einem Phasenübergang bei Raumtemperatur. Dieser Phasenübergang spielt eine zentrale Rolle für das Selbstheilungsverfahren, welches die makroskopischen Domänengrenzen verringert. Für Mischungen dieser dreieckig geformten Moleküle mit Perylen als Akzeptor zwischen einer Indium-Zinn-Oxid (ITO) und einer Aluminium-Elektrode wurden externe Quanteneffizienzen von 19% bei einer Wellenlänge von 490 nm erzielt. Die wesentlich bessere Effizienz für die phasenbildenden Moleküle wird auf die verbesserte intramolekulare Packung durch Tempern zurückgeführt, was zu einer Verbesserung von Ladungstransport und Anregungsdiffusionslänge führt, was beides Schlüsselparameter für die Bauteilleistung sind. Zukünftige Fortschritte erhofft man sich von weiteren selbstorganisierten Molekülen mit optimierten optischen, strukturellen und elektrischen Eigenschaften.
Elektrochemische Farbstoff-Solarzellen, nach ihrem Erfinder auch Grätzel-Zellen genannt, bestehen aus einer Monolage eines Farbstoffs, der an den mesoporösen Film aus Titandioxid adsorbiert wird. Durch die Lichtabsorption angeregt, überträgt der Farbstoff Elektronen auf das TiO2, von wo sie zur Anode transportiert werden, während der Farbstoff durch den Elektrolyt regeneriert wird. Im Vergleich zu tausenden von getesteten Farbstoffen führen Ruthenium-Komplexe zu den höchsten Wirkungsgraden von 10-11%. In Anbetracht der Kosten und Zugänglichkeit der Metalle sowie fehlender Umweltkompatibilität wird jedoch intensiv nach Ersatz gesucht.
Als metallfreie Farbstoffe wurden vielfach Perylenderivate in verschiedenen optischen Bauteilen verwendet, was sowohl durch ihre hervorragende chemische, thermische und photochemische Stabilität, als auch durch ihren nicht giftigen Charakter begründet wird. Mit ihrem großen π-konjugierten System bilden Perylen-Monoanhydride (PMAs) 1 eine vielseitige synthetische Plattform für Funktionalisierungen besonders in den 1-, 6- and 9-Positionen (Abb. 3) mit unterschiedlichen Substituenten, während das Anhydrid als Akzeptorkomponente oder Ankergruppe funktioniert. So ist es am MPI für Polymerforschung basierend auf diesem Perylen 1 gelungen, eine ganze Familie von Derivaten herzustellen, die einen Regenbogen von Farben zeigen und darüber einstellbare spektroskopische und elektrochemische Eigenschaften besitzen. Der beste von diesen Perylen-Farbstoffen liefert einen Wirkungsgrad von 6,8 % bis 7,2 % unter Standard (AM 1,5)-Solarbedingungen [6].
Ausblick
Die Verwendung organischer Funktionsmaterialien, ihre einfache technische Verarbeitbarkeit zu großflächigen Anwendungen, ihre niedrigen Kosten und ihre Flexibilität verleihen der organischen Elektronik das Potenzial, die herkömmliche siliziumbasierte Halbleitertechnologie mehr und mehr zu ergänzen bzw. abzulösen.
Die individuellen mikroskopischen Einflüsse von der Molekülstruktur, der Anordnung der Bausteine zu geeigneten Morphologien und der Aufbau eines polymerelektronischen Bauteils – gleich welchen Typs – werden immer besser verstanden. Es sind jedoch noch weitere Forschungsanstrengungen erforderlich, sowohl in der technischen Verarbeitung und Optimierung als auch, wie hier besonders hervorgehoben, in der Bereitstellung neuer synthetisch optimierter organischer Molekülbausteine, um weitere Barrieren oder limitierende Eigenschaften zu überwinden.