Tropfen mögen’s weich – Kondensation auf weichen Unterlagen

Forschungsbericht (importiert) 2009 - Max-Planck-Institut für Polymerforschung

Autoren
Auernhammer, Günter K.
Abteilungen
Physik der Polymere (Prof. Dr. Hans-Jürgen Butt)
MPI für Polymerforschung, Mainz
Zusammenfassung
Taubildung, d.h. Kondensation von Wassertropfen auf kalten Unterlagen, führt zu komplexen Mustern der Tropfen auf der Unterlage (breath figures). Tropfenwachstum, die Dynamik der Tropfenverschmelzung und die kondensierte Flüssigkeitsmenge hängen sensitiv von der Umgebung der kondensierenden Tropfen und den mechanischen Eigenschaften der Unterlage ab. Je leichter deformierbar die kalte Unterlage ist, desto mehr Tropfen kondensieren darauf und desto stärker wechselwirken die Tropfen mit der Unterlage.

Moderne Facetten eines alten Problems

Dass Wasserdampf sich an kalten Unterlagen niederschlägt, ist alltäglich und uns allen vertraut. Am Morgen nach einer kalten Nacht sind Wiesen vom Tau nass, in einer Destillationsanlage kondensiert die zu destillierende Flüssigkeit im Kühler und sogar die Verdunstungskälte des Lösemittels aus Polymerlösungen kann zur Kondensation von Luftfeuchtigkeit an deren Oberfläche führen. Die Tropfenbildung auf Unterlagen beschäftigt und fasziniert Wissenschaftler schon seit Aristoteles. In einer zum Teil heftigen Diskussion über die Mechanismen der Taubildung [1-3] wurden die Grundlagen für das moderne Verständnis (siehe z.B. [4]) der Tropfenkondensation gelegt. Tropfen können auf Unterlagen wachsen, sobald die Temperatur unter den von der Luftfeuchtigkeit abhängigen Taupunkt fällt, d.h. die relative Luftfeuchte 100% überschreitet. Im Gleichgewicht haben kleine Tropfen immer die Form einer Kugelkappe und sind durch ihren Kontaktwinkel (der charakteristisch für die Wechselwirkung mit der Unterlage ist) und den Radius der Kontaktlinie eindeutig bestimmt. Kondensieren die Tropfen auf flüssigen Unterlagen, so schwimmen die Tropfen wie Fettaugen auf der Oberfläche oder versinken ganz in der Flüssigkeit. Dies wird z.B. zur Herstellung von Membranen genutzt [5]. Viele natürliche und technische Materialien sind zwar weich und elastisch deformierbar, aber nicht flüssig. Diese Materialen interessieren einige Wissenschaftler in der Abteilung Physik der Polymere am Max-Planck-Institut für Polymerforschung besonders. Auch wenn in diesem Artikel stets von Wasser die Rede sein wird, lässt sich das Gesagte auf beliebige Flüssigkeiten übertragen.

Wachsen oder Verschmelzen, das ist hier die Frage

In der Natur kondensieren Wassertropfen auf zwei grundlegende Arten: Entweder freischwebend in der Luft (Nebel oder Regen) oder auf kalten Oberflächen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Szenarien ist die Geschwindigkeit, mit der die Tropfen wachsen. Freischwebende Tropfen in der Atmosphäre können aus allen Richtungen Wasserdampf aus der Luft aufnehmen; ihr Volumen nimmt mit der Zeit hoch 3/2 zu. Tropfen auf einer Unterlage sind mehr oder minder dicht gepackt und können deshalb nur einem kleineren Bereich der umgebenden Luft Wasser entziehen; ihr Volumen nimmt nur proportional zurzeit zu, also langsamer als bei freischwebenden Tropfen. Freischwebende Tropfen sind von einem kugelsymmetrischen Konzentrationsprofil des Wassers in der Luft umgeben; Tropfen auf einer Unterlage ähneln in großem Abstand einem zweidimensionalen Film, die Wasserkonzentration in der Luft darüber hängt nur vom Abstand zur Unterlage ab. Ist die Unterlage aber klein und kaum größer als der Tropfen selbst, so ist kein Platz für Nachbartropfen und die Tropfen wachsen nach den gleichen Gesetzen wie freischwebende Tropfen [6, 7] (Abb. 1). Die kleine Unterlage „schneidet“ den Tropfen sozusagen in der Mitte durch. Wenn der Kontaktwinkel 90º beträgt, hat der Tropfen eine Umgebung wie ein freischwebender Tropfen.

Auf weichen Unterlagen (Abb. 2) hat die Elastizität der Unterlage einen starken Einfluss auf Anzahl, Größe und Gestalt der Tropfen [8]. Je weicher eine Unterlage ist, desto mehr Tropfen bilden sich darauf, wenn die Temperatur der Unterlage unter den Taupunkt fällt. Auf harten Unterlagen wachsen die Tropfen nach einiger Zeit vor allem durch Verschmelzen mit Nachbartropfen. Je weicher die Unterlage ist, desto stärker ist dieser Wachstumsmechanismus unterdrückt.

Tropfen verformen ihre Unterlage

Die Gleichgewichtsgestalt eines Wassertropfens ergibt sich aus der Balance der auf ihn wirkenden Kräfte, oder, formaler gesagt, die Form eines Tropfen minimiert seine freie Energie. Bei kleinen Tropfen dominiert die Energie der Tropfenoberfläche bzw. die Oberflächenspannung die freie Energie. Ohne den Einfluss äußerer Kräfte (z.B. durch Gravitation, Strömungen oder Kontakt zu anderen Materialien) minimiert der Tropfen seine Energie indem er seine Oberfläche minimiert und bildet daher eine Kugel (Abb. 3).

Die sich zusammenziehende Oberfläche führt wie bei einem Luftballon zu einem höheren Innendruck als in der Umgebung. Sitzt ein Tropfen nun auf einer (weichen) Unterlage, so drückt er diese mit seinem Innendruck unter sich nach unten und die sich minimierende Tropfenoberfläche zieht die Unterlage am Rand nach oben [9-11]. Im Gleichgewicht ist die Deformation des Substrats größer, je weicher das Substrat ist.

Diese Deformation der Unterlage hat wichtige Konsequenzen sowohl für die Bildung der Tropfen als auch für deren Wachstum. Da ein Tropfen durch die Deformation der Unterlage seine Energie verkleinern kann, ist es auch leichter, Tropfen auf dieser Unterlage zu bilden. Je weicher die Unterlage, desto mehr Tropfen bilden sich. Während des Wachstums wandert die Randlinie der Tropfen und damit auch die Deformation der Unterlage. In vielen weichen Materialien (wie Polymeren) ist dies mit viskoser Reibung innerhalb der Unterlage verbunden. Die Unterlage wirkt also der Verschiebung der Randlinie entgegen. Insbesondere wird dadurch die Verschmelzung zweier Tropfen im Vergleich zu harten Unterlagen massiv verlangsamt (Abb. 4a). Der Kondensation steht also eine größere Wasseroberfläche zur Verfügung. Nach einiger Zeit (Abb. 4b) sind die Tropfen auf weichen Unterlagen größer als auf harten, bei vergleichbarem Bedeckungsgrad. Die Effizienz der Kondensation auf eine Unterlage kann also durch die Wahl der mechanischen Eigenschaften der Unterlage gesteuert werden.

Originalveröffentlichungen

1.
W. C. Wells:
An Essay on Dew and Several Appearances Connected with it.
Reprint 1866 in: L. P. Casella (Ed.) Longmans, Green, Reader, and Dyer, London; originally published by Taylor and Hessey, London 1814.
2.
M. Melloni:
Ueber die Theorie des Thaus (I + II).
Annalen der Physik und Chemie 71, 416-430 (1847).
3.
J. Aitken:
Breath Figures.
Proceedings of the Royal Society of Edinburgh 20, 94-97 (1892).
4.
D. Beysens:
Dew nucleation and growth.
Comptes Rendus Physique 7 (9-10), 1082-1100 (2006).
5.
G. Widawski, M. Rawiso, B. Francois:
Self-Organized Honeycomb Morphology of Star-Polymer Polystyrene Films.
Nature 369 (6479), 387-389 (1994).
6.
A. Cho:
Water Droplets Grow Faster Than Expected.
Science 324, 453 (2009).
7.
M. Sokuler, G. K. Auernhammer, C. Liu, E. Bonaccurso, H.-J. Butt:
Dynamics of condensation and evaporation: Effect of inter-drop spacing.
Europhysics Letters 89, 36004 (2010).
8.
M. Sokuler, G. K. Auernhammer, M. Roth, C. Liu, E. Bonacurrso, H.-J. Butt:
The Softer the Better: Fast Condensation on Soft Surfaces.
Langmuir 26 (3), 1544–1547 (2010).
9.
R. Pericet-Camara, A. Best, H. J. Butt , E. Bonaccurso:
Effect of capillary pressure and surface tension on the deformation of elastic surfaces by sessile liquid microdrops: An experimental investigation.
Langmuir 24 (19), 10565-10568 (2008).
10.
R. Pericet-Camara, G. K. Auernhammer, K. Koynov, S. Lorenzoni, R. Raiteri, E. Bonaccurso:
Solid-supported thin elastomer films deformed by microdrops.
Soft Matter 5, 3611-3617 (2009).
11.
A. I. Rusanov:
Theory of Wetting of Elastically Deformed Bodies.1. Deformation with a Finite Contact-Angle.
Colloid Journal of the USSR 37 (4), 614-622 (1975).
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